Leben - Horst von Gizycki

Als Angehöriger der '45er'-Generation habe ich noch in jungen Jahren die NS-Diktatur und den Zweiten Weltkrieg miterlebt, 'ausgebombt' in Berlin. Nachhaltig prägend waren für mich dann 1947 Kontakte mit englischen Quäkern, die damals einige Mitschüler und mich als erste deutsche Gruppe von Jugend-
lichen nach Kriegsende für ein 'educational holiday'-Programm nach England eingeladen haben, darunter meine spätere Frau Renate.
Ebenso wichtig war damals ein bis heute existierender Freundeskreis aus London ('The Bridge'), in dem wir Bücher diskutierten von Huxley, Koestler, Gide, Fromm, Jaspers und Orwell. Als Versuch einer Antwort auf dessen '1984' schrieb ich 1983 mein 'Arche-Noah-'84'-Buch.
Aus internationalen Sommertreffen unserer Stätte der Begegnung wollten wir hitzköpfig eine neue 'Pädagogische Provinz' entwickeln; was dann nicht gelang.
Frühes Interesse am Schreiben (erst später am Veröffentlichen), an bildender Kunst und an Philo-
sophie, mit Kritik an universalistischem System- und Fortschrittsdenken, an autoritären Mentalitäten (Vorurteilen) und mit beson­derer Hinwendung zur Sozialpsychologie, auch zu den Arbeiten von Erich Fromm, den ich später in Locarno noch zu einem persönlichen Austausch treffen konnte.
Ursprünglich war ich vor allem neugierig auf literarisch-philosophische Texte. Als bewußtes Gegen-
gewicht zu diesen hermeneutischen Streifzügen verordnete ich mir das eher naturwissenschaftliche Göttingen-Stu­dium der Psy­chologie. Zeitbedingt erhielten später für mich die Frankfurter kritische Theorie und die Göttinger Soziologie (Helmuth Plessner), dazu Belletristik und Bildende Kunst wieder Bedeutung als 'verste­hendes' Erkennen. In meinen Publikationen wurden essayistische Beiträge daraus (s. Auswahl der Texte).
Schwerpunkte empirischer Forschungsarbeiten waren nach meinem Studium Untersuchungen zur Psychologie des Vorurteils und zur Auswirkung von Begegnungen junger Deutscher mit Israel. Vor der Berufung an die Kasseler Kunsthochschule war ich in Göttingen Mitarbeiter der universitären Er-
wachsenenbildung mit Seminarkursen u.a. über Kunstpsychologie. Beziehungen von Kunst und Ge-
sellschaft haben mich seit meiner Schulzeit beschäftigt, zumal ich selbst von jeher auch zeichne und male. In gemeinsamen Hochschulseminaren mit Architekten über die Misere des Städtebaus erneuerte sich mein frühes Interesse an kommunitären Gemeinschafts-Experimenten. Mein Forschungsprojekt 'Zur Sozialpsychologie alternativer Lebensformen' brachte mich bei mehreren Amerika-Aufenthalten in Kontakt mit einer Vielzahl von Alternativ-Einrichtungen und -Gemeinwesen (s. Texte-Auswahl).
Derzeit arbeite ich an einem Essay 'Zur Farbenlehre des Eros', in dem ich versuche, eine Verbindung zu knüpfen zwischen der platonischen Eros-Konzeption des 'Symposions' und der aristotelischen 'Akkord'-Lehre (in der Nikomachischen Ethik) von der Zusammensetzung unserer Tugenden aus verschiedenen Komponenten oder 'Farben'.